C.S. Lewis versucht in seinem Buch Über den Schmerz sich dem Verständnis der Liebe Gottes anzunähern, indem er vier Analogien untersucht, die die Bibel selbst dazu liefert. Hier möchte ich eine grobe Zusammenfassung seiner Erörterung wiedergeben, und empfehle das Original zu lesen. 

Denn die Liebe ist stark wie der Tod, und ihr Eifer unbezwinglich wie das Totenreich;
ihre Glut ist Feuerglut, eine Flamme des HERRN.
Große Wasser können die Liebe nicht auslöschen, und Ströme sie nicht ertränken.

Hoheslied 8,6-7

Die vier Analogien der Liebe Gottes

Ein liebender Gott und eine Welt voller Schmerz scheinen nicht zusammenzupassen. Das rührt wohl daher, dass wir die Liebe Gottes mit Gutherzigkeit verwechseln oder diese auf Gutherzigkeit beschränken wollen. Am liebsten hätten wir keinen himmlischen Vater, sondern einen wohlmeinenden Großvater, “der es gerne sieht, wenn sich die jungen Leute amüsieren, und dessen Plan für das Universum einfach darauf hinausläuft, dass am Abend eines jeden Tages gesagt werden kann: ›Es war für alle wundervoll.‹” 

Gutherzigkeit wünscht, dass jemand einfach glücklich ist und es gibt Menschen, die sogar aus Gutherzigkeit Tiere töten, damit sie nur ja nicht leiden, ungeachtet welches Tier es ist, sei es gut oder böse.

Liebe aber lehrt uns etwas anderes, wenn wir einen kurzen Blick auf die Familie werfen. Kinder, die nicht unsere eigenen sind, verwöhnen wir und wünschen ihnen von Herzen, dass sie alles Gute erhalten und niemals leiden müssen. Aber bei unseren eigenen Kindern ist es anders. Da haben wir höhere Ansprüche, da befürworten wir Leiden im Sinne von Erziehung, und das nennen wir dann Liebe (Hebräer 12,8).

“Wenn Gott Liebe ist, ist Er also, laut Definition, etwas Größeres als bloße Güte.
Und alle biblischen Berichte zeigen es deutlich: 
obwohl Er uns oft getadelt und schuldig gesprochen hat, Er hat uns niemals mit Verachtung gestraft.
Er hat uns die unerträgliche Ehre erwiesen, uns zu lieben – in dem tiefsten, tragischsten, unerbittlichsten Sinn,
den dies Wort nur haben kann.”

Wenn wir nun die verschiedenen Arten von Liebe, die wir kennen, untersuchen, so bekommen wir “zwar eine unzulängliche, aber immerhin brauchbare Vorstellung von der Liebe, mit der Gott den Menschen liebt.”

1. Der Töpfer und der Ton

Wenn wir den Begriff Liebe etwas ausdehnen, dann kann man im weitesten Sinn die Empfindung des Künstlers zu seinem Werk als solche bezeichnen. So finden wir in der Bibel das Bild vom Töpfer und dem Ton (Jeremia 18) oder aber auch von dem Bau der Gemeinde, in dem die einzelnen Glieder Steine sind (1. Petrus 2,5). Dieses Bild ist nur begrenzt anwendbar, aber es lehrt uns eine sehr wichtige Tatsache: “Wir sind ein Kunstwerk Gottes, nicht bloß bildlich gesprochen, sondern wirklich und wahrhaftig; wir sind etwas das Gott macht, und also etwas, womit Er nicht zufrieden sein wird, bis es eine bestimmte Prägung besitzt.”

Für eine Skizze gibt der Künstler sich nicht viel Mühe, auch wenn es nicht genau nach seiner Vorstellung geraten ist. Aber in sein Lebenswerk, das große Bild seines Lebens, wird er sehr viel Arbeit und Zeit investieren und ihm somit eine unerträgliche Ehre erweisen. Durch seine Liebe zu diesem Werk wird er dem Bild “zweifellos unendliche Mühe verursachen, wenn es denn empfindungsfähig wäre. Man könnte sich ein empfindendes Bild vorstellen, das, nachdem es radiert und gestichelt und zum zehnten Mal neu angefangen worden ist, wünschte, eine bloße Skizze zu sein, die innerhalb einer Minute hingeworfen wäre. Auf die gleiche Weise könnten wir uns begreiflicherweise wünschen, Gott möchte uns ein weniger großartiges und weniger mühsames Schicksal bestimmt haben. Aber dann wünschen wir uns nicht mehr Liebe, sondern weniger Liebe.”

2. Der Hirte und die Schafe

Die nächste Art von Liebe, die wir kennen, ist die Liebe eines Menschen zu einem Tier. Diese Analogie finden wir sehr oft in der Bibel in dem guten Hirten und seinen Schafen (Johannes 10). Auch dieses Bild ist beschränkt, aber es lehrt uns, dass die Beziehung vom Menschen (oder dem Hirten) ausgeht und um seinetwillen besteht.

Denken wir an die Beziehung zwischen dem Menschen und seinem Hund: Er zähmt ihn, damit er den Hund lieben und der Hund ihm dienen kann – und nicht andersherum. Der Hund ist in den Augen des Menschen ein wertvolles Tier und wird geliebt. Ein Zusammenleben von Hund und Mensch ist jedoch kaum möglich, wenn der Hund noch nicht gezähmt ist. Deswegen wird der Mensch den Hund noch liebenswerter machen, in dem er ihn wäscht, ihm seine Wildheit aberzieht und ihn ans Haus gewöhnt.

“In dem jungen Hund, wäre er ein Theologe, würde der ganze Vorgang ernste Zweifel an der Gutheit des Menschen erwecken; der ausgewachsene und wohlerzogene Hund jedoch, größer, gesunder und langlebiger als der wilde Hund und, wie durch eine Gnade, zugelassen zu einer ganzen Welt von Zuneigung und Treue, von Interessen und Tröstungen, die weit über seine tierische Bestimmung hinausgehen, würde keine solche Zweifel haben.

Man sieht, der Mensch (ich spreche vom guten Menschen) macht sich all diese Mühe mit dem Hund und verursacht dem Hund all die Mühe, nur weil dieser ein so hochentwickeltes Wesen ist; weil er so sehr beinahe liebenswert ist, dass es sich lohnt, ihn ganz liebenswert zu machen. Der Mensch gewöhnt ja nicht den Ohrwurm ans Haus, und er badet nicht den Tausendfüßler. Mag sein, dass wir uns tatsächlich wünschen, für Gott von so geringer Bedeutung zu sein, dass er uns gewähren ließe, unsern natürlichen Impulsen zu folgen; wir können uns wünschen, Er möchte den Versuch aufgeben aus uns etwas zu machen, das unserm natürlichen Selbst so unähnlich ist – aber, noch einmal, wir verlangen dann nicht mehr Liebe, sondern weniger Liebe.”

3. Der Vater und seine Kinder

Eine weitaus passendere, noblere Analogie ist die Liebe eines Vaters zu seinem Kind. Dieses Bild finden wir sehr oft in der Bibel, nicht zuletzt in dem Gebet Vaterunser. Man muss jedoch bedenken, dass zu jener Zeit die väterliche Autorität sehr viel höher gewertet wurde als zu unserer Zeit heute. Das können wir sehr gut an der Hingabe Jesu an den Willen seines Vaters erkennen.

“Liebe zwischen Vater und Sohn bedeutet in diesem Symbol notwendig autoritative Liebe auf der einen und gehorsame Liebe auf der anderen Seite.” Der Vater wird aus Liebe seine Autorität gegenüber seinem Kind insofern gebrauchen, dass er es nach seiner eigenen Weisheit zu einem besseren Menschen erzieht. Wenn es einem Vater gleichgültig wäre, was aus seinem Kind wird, auch wenn es auf die schiefe Bahn gerät, solange es ihm dabei gut geht, würde man seine “Liebe” stark anzweifeln.

Außerdem dürft ihr jenes ermutigende Wort in der Schrift nicht vergessen, das an euch als Gottes Kinder gerichtet ist.
»Mein Sohn«, heißt es dort, »lehne dich nicht dagegen auf, wenn der Herr dich mit strenger Hand erzieht!
Lass dich nicht entmutigen, wenn er dich zurechtweist!
Denn wen der Herr liebt, den erzieht er mit der nötigen Strenge;
jeden, den er als seinen Sohn annimmt, lässt er auch seine strafende Hand spüren.«
Wenn ihr also Nöte durchmachen müsst, dann seht darin Gottes Absicht, euch zu erziehen.
Er macht es mit euch wie ein Vater mit seinen Kindern.
Oder gibt es einen Sohn, der von seinem Vater nicht mit strenger Hand erzogen wird?
Mit allen seinen Kindern ist Gott auf diese Weise verfahren.
Wenn er euch nicht erziehen würde, würde das heißen, dass ihr gar nicht seine rechtmäßigen Kinder seid.
Und überlegt euch auch Folgendes: Unsere leiblichen Väter haben uns mit der nötigen Strenge erzogen,
und wir hatten Respekt vor ihnen. Müssen wir uns da nicht noch viel mehr dem Vater unterordnen,
der allen Wesen Geist und Leben gibt? Denn sich ihm unterzuordnen bedeutet wahres Leben.
Unsere leiblichen Väter haben uns nur eine verhältnismäßig kurze Zeit erzogen, und zwar so, wie es ihren Vorstellungen entsprach. Gott aber weiß wirklich, was zu unserem Besten dient; er erzieht uns so, dass wir an seiner Heiligkeit Anteil bekommen.
Mit strenger Hand erzogen zu werden tut weh und scheint zunächst alles andere als ein Grund zur Freude zu sein.
Später jedoch trägt eine solche Erziehung bei denen, die sich erziehen lassen, reiche Früchte:
Ihr Leben wird von Frieden und Gerechtigkeit erfüllt sein.

Hebräer 12,5-11

4. Der Ehemann und seine Frau

Die letzte Analogie ist lt. C.S. Lewis “höchst gefährlich und von viel begrenzterer Anwendungsmöglichkeit; und doch ist gerade sie die im Augenblick für unser besonderes Anliegen geeignetste Analogie.” Also das Bild der Liebe eines Mannes zu seiner Frau. Auch dieses Bild finden wir sehr häufig in der Bibel. Im Alten Testament finden wir es z.B. in Hesekiel 16,6-15, wo Israel als arme Braut beschrieben wird, das einst als verlassenes heimatloses Kind vom Liebenden aufgefunden wurde, um dann von ihm gewaschen, gekleidet, geschmückt und liebevoll aufgezogen wird, und doch von ihr verraten wird. Im Neuen Testament ist die Gemeinde die Braut des Herrn, “die er so sehr liebt, dass er keinen Flecken und keine Runzel an ihr erträgt (Epheser 5,27)”.

Hier erkennen wir, dass Liebe eben nicht bloße Gutherzigkeit ist, “die alles duldet, nur nicht, dass der Geliebte leide”. Wenn ein Mann eine Frau wirklich beginnt zu lieben, dann hört er doch nicht damit auf, sich um sie zu kümmern, sondern beginnt erst richtig damit. Eine Frau würde es auch nicht als Liebe bezeichnen, wenn es ihrem Mann gleichgültig wäre, wie sie aussieht oder sich benimmt.

“Liebe vermag sehr wohl die Geliebte zu lieben, wenngleich ihre Schönheit dahin ist; aber nicht, weil sie dahin ist. Liebe kann Schwächen vergeben und ihnen zum Trotz lieben, aber Liebe kann nicht aufhören zu wünschen, dass diese Schwächen verschwinden. Liebe ist empfindlicher als selbst der Hass gegen jeden Makel an dem Geliebten; ihr Gefühl ist feiner und empfindsamer als die zarten Fühler sich windender Schnecken. Von allen Mächten verzeiht die Liebe am meisten, aber sie entschuldigt am wenigsten; sie erfreut sich an wenig, aber sie verlangt alles.”

Die Schlussfolgerung

“Wenn das Christentum sagt, dass Gott den Menschen liebe, so ist gemeint, dass Gott den Menschen liebe – nicht, dass Er sich auf irgendeine desinteressierte, unbeteiligte Weise mit unserm Wohlergehen befasse, sondern dass wir, – eine schauererregende und überraschende Wahrheit-, der Gegenstand seiner Liebe sind. Du verlangst nach einem lieben Gott. Du hast ihn. Der große Geist, den du so leichtfertig beschworen hast, der Herrscher schrecklichen Anblicks ist anwesend: nicht ein greisenhafter Wohlmeiner, der dir schläfrig wünscht, nach deiner eigenen Façon glücklich zu sein; nicht die kalte Philanthropie einer gewissenhaften Obrigkeit, noch auch die Sorge eines Gastgebers, der sich für das Wohlbefinden seiner Gäste verantwortlich fühlt. Sondern: das verzehrende Feuer selbst, die Liebe, welche die Welten erschuf, beharrlich wie des Künstlers Liebe zu seinem Werk, herrisch wie eines Menschen Liebe zu seinem Hund, fürsorglich und ehrwürdig wie eines Vaters Liebe zu seinem Kind, eifersüchtig, unerbittlich, streng wie die Liebe zwischen den Geschlechtern. (…)

Das Problem, menschliches Leiden mit der Existenz eines liebenden Gottes in Einklang zu bringen, ist nur solange unlösbar, als wir mit dem Wort Liebe eine triviale Bedeutung verbinden und die Welt so ansehen, als sei der Mensch ihr Mittelpunkt. Der Mensch ist nicht der Mittelpunkt. Gott existiert nicht um des Menschen willen. “Du hast alle Dinge geschaffen, und zu Deiner Freude sind sie da und wurden erschaffen” (Offenbarung 4,11). Wir sind nicht erstlich dazu erschaffen, dass wir Gott lieben können (obwohl wir auch dafür erschaffen sind), sondern dazu, dass Gott uns lieben könne; dass wir zu Wesen werden könnten, in denen die göttliche Liebe mit Wohlgefallen ruhen könne. Wer verlangt, Gottes Liebe solle sich mit uns, wie wir sind, begnügen, der verlangt, Gott solle aufhören Gott zu sein. Weil Er ist, was Er ist, darum muss Seine Liebe, das liegt in der Natur der Sache, behindert und abgestoßen werden durch gewisse Makel an unserer Gestalt; und weil Er uns bereits liebt, muss Er uns liebenswert zu machen suchen. In unseren besten Stunden vermögen wir es nicht einmal zu wünschen, Er möchte sich mit unserer gegenwärtigen Unreinheit abfinden – ebensowenig wie das Bettelmädchen wünschen könnte, dass König Cophetua sich mit ihren Lumpen und ihrem Schmutz abfinden sollte, oder wie ein Hund, der einmal gelernt hat den Menschen zu lieben, wünschen könnte, der Mensch möchte so sein, dass er in seinem Hause die bissige, verlauste, unsaubere Kreatur aus der wilden Meute dulde. Nicht was wir hier und jetzt unser Glück nennen würden, ist das Ziel, das Gott vor allem ins Auge fasst. Aber wenn wir so sind, dass Er uns ungehindert lieben kann, dann werden wir in der Tat glücklich sein.”

“Er verlangt  nach unserer Verehrung, nach unserem Gehorsam, nach unserer Anbetung. (…) Gott will unser Gutes, und unser Gutes ist, dass wir ihn lieben (mit jener den Geschöpfen eigenen antwortenden Liebe); und um ihn zu lieben, müssen wir ihn kennen; kennen wir ihn aber, dann werden wir in der Tat auf unser Angesicht niederfallen. Tun wir es nicht, so zeigt das nur, dass, was wir zu lieben versuchen, noch nicht Gott ist – obwohl es vielleicht die nächste Annäherung an Gott ist, die unser Denken und unsere Phantasie zustande zu bringen vermag.

Wir sind aber nicht nur zur Anbetung und Ehrfurcht aufgerufen, sondern zu einer Wiederspiegelung göttlichen Lebens, zu einer geschöpflichen Teilhabe an den göttlichen Attributen, die weit hinausliegt über unser gegenwärtiges Verlangen. Wir sind aufgefordert, Christus anzuziehen (…). Ob wir wollen oder nicht – dies besagt: Gott beabsichtigt uns zu geben, was wir brauchen, nicht, was wir jetzt zu brauchen meinen. Noch einmal-, was uns in Verlegenheit bringt, ist die Unerträglichkeit der Ehrung, nicht ein Zuwenig, sondern ein Zuviel der Liebe.”

Gott liebt die Welt, aber er liebt die Seinen (Johannes 13,1) vollkommen, unwandelbar, völlig, bis aufs Äußerste.
In einfachen Worten ausgedrückt:
Er liebt die Seinen im vollständigen Ausmaß seiner Fähigkeit, seine Geschöpfe zu lieben.
Er liebt sie so sehr, dass er sie in sein Bild umgestaltet.
Er überschüttet sie für alle Ewigkeit mit allen Reichtümern seiner Gnade.
Er liebt sie so sehr, wie je ein Mensch von Gott geliebt werden könnte – und seine Liebe kennt keine Grenzen.

John MacArthur

Dies ist eine grobe Zusammenfassung des Kapitels Die Gutheit Gottes aus dem Buch “Über den Schmerz – Vielleicht ist diese Welt nicht die denkbar beste, aber sie ist die einzig mögliche”, geschrieben von C.S. Lewis, erschienen im Brunnen Verlag.

Das Zitat zum Schluss von John MacArthur stammt aus seinem Buch “Die Liebe Gottes – Einblicke in Gottes unergründliches Wesen und Handeln”, Seite 136, Betanien Verlag.

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