Herr, Du weißt es...

Ein Gastbeitrag von Liane Wagner über den Trost, welcher sich in dieser Gewissheit verbirgt.

Seit über einem Jahr begleitet mich der Plan B in meiner Bibellese. Auch wenn er eigentlich für einen kürzeren Zeitraum vorgesehen ist, freue ich mich, ihn nach und nach durchzuarbeiten. Schon manch eine interessante Entdeckung machte ich, während ich die zehn Kapitel oder zeitweise auch weniger am Stück las. So auch diesmal: Zweimal begegnete mir während der Zeit mit Gott folgende Aussage:

„O Herr, HERR, du weißt es!“ (Hesekiel 37, 3)
„Herr, du weißt es!“ (Offenbarung 7, 14)

Das bewegt mich. Und es beschäftigt mich auch Wochen später noch, so dass ich mich an einem Samstagmorgen hinsetze, um meine Gedanken zu bündeln und schriftlich festzuhalten:

Herr, du weißt...

Dass ich keine Kraft habe, weiter stark zu sein
Dass ich müde vom Kämpfen bin
Dass ich Schmerzen habe
Dass die Nächte nicht genügend Erholung bieten
Dass Menschen nur begrenzt ermutigen können
Dass die Wahrheit manchmal nur schwer auszuhalten ist
Dass es Dinge und Umstände gibt, die hässlich und schwer zu ertragen sind
Dass mich Ämter nerven, die Tatsachen negieren, Widerwärtigkeiten verharmlosen
Wie dringend wir eine Veränderung brauchen
Wie sehr wir auf dein Eingreifen warten
Wie ungerecht die Welt ist
Wie gemein wir Menschen zueinander sein können
Wie viel Egoismus mich noch beherrscht
Wie oft ich nur auf meine Wünsche und Vorteile bedacht bin
Wie schwer es mir manchmal fällt, mir den Kummer anderer anzuhören
Wie leid es mir hinterher oft tut, dass ich herzlos und lieblos denke
Wie satt ich es manchmal habe, krank und bemitleidenswert zu sein
Wie traurig mich meine Unfreundlichkeit und Ungeduld machen
Wie schwer es mir fällt, das Leiden anderer auszuhalten
Wie gern ich Lösungen und Antworten wüsste
Wie sehr ich mich nach einer Auszeit sehne
Wie ausgedünnt meine Kapazitäten sind

Aber, du weißt auch...

Dass ich von dir lernen will
Dass ich nicht aufgeben werde, weil du mich nicht aufgibst
Dass ich in deinem Namen weiter danken üben will
Dass ich mir den Kummer vom Herzen singen und beten will
Dass ich ein Segen für mein Umfeld sein möchte
Dass mir die Menschen, die ohne dich leben, wirklich ein Anliegen sind
Dass ich darum bete, dass Menschen durch unser Leben näher zu dir kommen
Dass ich in deinem Namen und in deiner Kraft leben möchte
Dass ich den Kopf nicht in den Sand stecke, weil du da bist
Dass du mein Anker im Sturm bist

Manchmal reichen die Worte nicht für ein Gebet, die Kraft fehlt, um auszusprechen, was im Herzen darauf wartet, ausgedrückt zu werden. Die Aussage „Herr, du weißt es“ bringt so vieles zum Vorschein, was mich bewegt. Es zeugt von kindlichem Vertrauen, denn mein lieber himmlischer Vater weiß um alles, ehe es sich mir ins Bewusstsein rückt:

„Denn euer Vater weiß, was ihr benötigt, ehe ihr ihn bittet.“  (Matthäus 6, 8b).

Zuversicht sticht ebenfalls aus diesem kurzen Gebet hervor, denn Gottes Wort verspricht:

„Und es wird geschehen: Ehe sie rufen, will ich antworten; während sie noch reden, will ich [sie] erhören!“ (Jesaja 65, 24)

Gott sieht Dich in Deinem Leid.
Gott sieht, wie viel noch geht.
Gott weiß, was in Deiner Wahrnehmung schon längst „nicht mehr geht.“
Gott kennt Dich, er hat Dich gemacht.
Gott allein weiß, wie viel Du tragen kannst. Erlebst Du, dass er Dich trägt?

Inmitten Deiner Not, Deiner Schmerzen, Deiner Orientierungslosigkeit ist er da. Indem Du denkst, aussprichst oder auch rufst: „Herr, du weißt …“, bekommt Dein gegenwärtiges Erleben eine weitere Dimension – Du beziehst Gott aktiv mit ein. Du nennst ihn „Herr“. Gott, Allmächtiger, Schöpfer, Herrscher, König – er ist da! Ich darf Verantwortung abgeben, indem ich mich daran erinnere, dass Gott alles weiß, alles kann, alle Macht hat und noch nie in die Verlegenheit kam, irritiert, ratlos, erschöpft und unfähig zu sein. Unser Heiland ist da. Er erlebt die Situation mit Dir, in der Du gerade steckst. Er ist auch für Dein Leid ans Kreuz gegangen, trug Deine Qualen, litt, damit Du nicht ewig leiden musst. Durch Christus ist das größte Problem Deines Lebens gelöst, wenn er Dein persönlicher Retter ist:

Alle verachteten und mieden ihn; denn er war von Schmerzen und Krankheit gezeichnet. Voller Abscheu wandten wir uns von ihm ab. Wir rechneten nicht mehr mit ihm. In Wahrheit aber hat er die Krankheiten auf sich genommen, die sonst uns getroffen hätten, und die Schmerzen erlitten, die sonst wir ertragen müssten. Wir meinten, Gott habe ihn gestraft und geschlagen; doch wegen unserer Schuld wurde er gequält und wegen unseres Ungehorsams geschlagen. Die Strafe für unsere Schuld traf ihn und wir sind gerettet. Er wurde verwundet und wir sind heil geworden.

» Jesaja 53, 3–5, GNB

Es gibt so vieles, was ich nicht weiß…

Warum manche Menschen gesund werden und andere nicht
Warum manche viele Jahrzehnte leiden und nicht sterben
Während andere um jede Lebensminute kämpften und doch nicht mehr leben
Warum dem einen eine (unnötige) Therapie zugesagt wird
Warum dem anderen eine (benötigte) Therapie verwehrt wird
Warum scheinbar sinnvolle Medikamente off-label bleiben
Warum manche Sachbearbeiter sich aufführen, als hätten sie Macht über Einzelne
Warum Menschen sich die Mühe machen, schlecht über andere zu reden
Warum manche glauben, die Umstände ihres Nächsten deuten zu müssen
Warum wir uns gegenseitig anmaßen, den Willen Gottes für den anderen zu kennen
Warum so vieles rätselhaft bleibt
Warum Gott scheinbar nicht eingreift und Gebetserhörungen „ausbleiben“
Warum Kinder Gottes – trotz aufrichtiger Bemühungen im „Mitleiden“ – dem anderen oft mehr Frust als Entlastung bringen
Warum Wahrheit zuweilen ein unerbetener Gast ist und die Scheinwelt der Aufrichtigkeit vorgezogen wird
Warum, warum, warum ?

Aber ich kenne jemanden, der all das und alles mehr weiß.

Darum spornt es mich an, „Herr, du weißt …“ zu beten, weil ich in dem Augenblick abgeben darf, was ich ohnehin nicht begreifen, fassen und bewältigen kann. Gott schon.
Bei ihm ist nicht nur mein Leben, sondern auch das Leben meiner Lieben, das ganze Weltgeschehen bestens aufgehoben. Denn er, er kennt das „Warum“ und „Wozu“.

Obgleich ich so vieles nicht weiß, nicht verstehe und auch nicht einordnen kann, gibt es doch etwas, was ich weiß. Vielleicht ist es das Einzige und auch das Allerwichtigste. Die Worte aus Johannes 21,17 berühren mich. Sie bringen meinem aufgewühlten Herzen Ruhe, erfüllen mich mit Gottes Frieden und mit einer Freude, die größer ist als die Umstände um mich her. Es sind die Worte des Petrus, die ich zu meinen eigenen mache:

Herr, du weißt alle Dinge; du weißt, dass ich dich lieb habe.

» Johannes 21,17

Liane Wagner ist Berufspädagogin und lebt mit ihrem Mann in NRW. Ihr Anliegen ist, die beste Nachricht der Welt mit anderen Frauen zu teilen: Lebe als Binty – Gottes geliebte Tochter.
Unter www.binty.de erfährst du mehr.

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