Böses mit Gutem vergelten

Und die Zunge ist ein Feuer, eine Welt der Ungerechtigkeit.
So nimmt die Zunge ihren Platz ein unter unseren Gliedern;
sie befleckt den ganzen Leib und steckt den Umkreis des Lebens in Brand
und wird selbst von der Hölle in Brand gesteckt.

Jakobus 3,5

Es gibt vielerlei Arten von Verletzungen, die man von seinem Umfeld erfahren kann. Eine Art davon sind die Gerüchte, mit denen man während einer Krankheit konfrontiert wird, besonders dann, wenn man chronisch krank ist, und entweder noch keine Diagnose hat oder dieselbe ist so exotisch, dass es die Leute einfacher finden eine eigene Diagnose zu stellen. Eine Richtigstellung oder kurze Aufklärung bleibt dann meist ungehört.

Obwohl ich selten mit wirklicher Interesse nach meinem Befinden oder meiner wahren Diagnose gefragt werde, sondern das ein oder andere Mal platt begrüßt werde mit „Der Freund einer Arbeitskollegin hat das auch“ oder „Mir hat Pferdesalbe bei meiner Hornhaut geholfen, vielleicht probierst du es mal auf dem Bauch?“ usw, höre ich nicht auf, mich dafür zu interessieren, was andere über mich sagen. Trotz – oder gerade wegen meines verletzten Stolzes. 

Ich könnte mich als Reaktion darauf verbittert zurückziehen, oder mich in den Kampf gegen die Gerüchte-Windmühle stürzen. Ich könnte höhnisch verachtend dazu schweigen oder wutentbrannt meinen Gefühlen Luft machen. Ich könnte mein Gegenüber anlächeln und später hinter seinem Rücken lästern. Ich könnte das, weil ich ein stolzer sündiger Mensch bin. Aber ich muss nicht. Nicht mehr. Denn Christus hat mir diesen Zwang abgenommen und hat es mir vorgemacht:

„Er hat keine Sünde getan, es ist auch kein Betrug in seinem Mund gefunden worden, als er geschmäht wurde, schmähte er nicht wieder, als er litt, drohte er nicht, sondern übergab es dem der gerecht richtet.“ (1. Petrus 2,22-23)

Und somit darf ich mein Gegenüber lieben, unabhängig von seinen Worten und Meinungen über mich. 

In Christus bin ich nun nicht mehr meinen negativen Gefühlen und meiner sündigen Natur unterworfen, bin nicht mehr von vornherein Verlierer, sondern bin in Christus zur Liebe befreit worden. Wenn ich mich im Moment der Konfrontation (und später bei der Verarbeitung derselben) für die Liebe entscheide, habe ich in dreifacher Weise gewonnen:

1. Gott wird verherrlicht. Wenn mich eine Gerücht oder ein Vorwurf oder dergleichen nicht aus der Ruhe bringt, sondern ich weiterhin in innerem Frieden und Ausgeglichenheit liebevoll darauf reagiere, bringe ich damit zum Ausdruck, dass Gottes Frieden ewig fest ist und das seine Annahme und seine Gunst völlig ausreichend ist.

2. Mein Gegenüber erfährt Liebe. Eine liebevolle Reaktion könnte das Missverständnis aufklären und er wird selbst zur Liebe angeregt. Wenn ich z.B. in Zorn oder Hohn reagieren würde, würde dies wiederum Zorn oder Hohn als Reaktion provozieren. Ich provoziere lieber Liebe.

3. Wenn ich mich für die Liebe entscheide, halte ich mein Innerstes rein. Es hilft dabei meinen seelischen und körperlichen Zustand stabil zu halten und trübt nicht meine Beziehung zu Gott. 

Vergeltet niemand Böses mit Bösem! Seid auf das bedacht, was in den Augen aller Menschen gut ist. 
Ist es möglich, soviel an euch liegt, so haltet mit allen Menschen Frieden.
Rächt euch nicht selbst, Geliebte, sondern gebt Raum dem Zorn [Gottes]; denn es steht geschrieben:
»Mein ist die Rache; ich will vergelten, spricht der Herr«.
»Wenn nun dein Feind Hunger hat, so gib ihm zu essen; wenn er Durst hat, dann gib ihm zu trinken!
Wenn du das tust, wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln.«
 Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse durch das Gute!

Römer 12,17-21

Das ist nicht einfach. Es ist und bleibt ein Kampf Böses mit Gutem zu vergelten. Aber die Übung macht den Meister, sagt man. Wobei Liebe ja nicht eingeübt werden kann, aber die Geduld kann sich bewähren… (s. Römer 5,3-5)

Das einzige, was mir bei dieser Sache hilft, ist das Gebet. Hier vor Gott kann ich alles sagen, was mir auf der Seele lastet. Er sieht die Verletzungen in meinem Innern, er war ja sogar dabei, als es geschehen ist und er kennt auch die Beweggründe und Gefühle meines Gegenübers. 

Gott fängt mich auf, er tröstet mich, er schenkt mir Liebe. Aber er ist auch der Anwalt meines Nächsten. Er will nicht, dass ich meinen Nächsten anklage. Er bringt meinen inneren Sturm, meine Vorwürfe, meinen verletzten Stolz und alle dunklen Gefühle zur Ruhe. Er will in mir Liebe, Vergebung und Verständnis wirken. Denn das ist heilsam, – heilsam für meine Verletzung, heilsam für die gestörte Beziehung zu meinem Nächsten, heilsam für die Beziehung zu Gott, indem er mir seine Fürsorge angedeihen lässt.

Und das nächste Mal kann ich mich wieder für die Liebe entscheiden, weil ich von Gott geliebt bin und er in mir Liebe provoziert.

Mein Geschäft ist es, andere zu lieben – und nicht ihre Liebe zu suchen.

Robert C. Chapman

Ich liebe das Tal der Erniedrigung.
Dort spüre ich, dass ich am richtigen Ort bin.

Charles Simeon

Wir täten alle gut daran, nicht neugierig nach dem zu fragen, was andere über uns sagen.
Daraus kann kaum etwas Gutes entstehen:
Stolz, wenn die Äußerungen vorteilhaft sind;
Entmutigung, wenn sie sich als kritisch erweisen;
Ärger, wenn sie nicht zutreffen.
Auf diese Empfindungen sollten wir keinen Wert legen.
Aus bewährten, von verlässlichen Menschen kommenden Ratschlägen
und nicht aus Gerüchten erwächst eine gute Selbsteinschätzung.

John Piper

Du kannst hingehen, wo du willst, und wärest Du in der reinsten Gesellschaft unter dem Himmel,
so wirst du allerwege feststellen, dass die Besten der Menschen im besten Fall bloß Menschen sind,
weshalb Du genügend Anstößigem begegnen wirst, was Dich lehrt, wie notwendig es ist,
allezeit von dem Herrn Jesus abhängig zu sein;
denn Er allein ist unfehlbar, und Er gibt diese Ehre keinem anderen. …

Ich preise Gott für die zahlreichen Zurücksetzungen, die ich erfahren habe.
Es ist gut für mich, dass ich durch meine nächsten und liebsten Freunde hintergangen, verachtet, kritisiert, verleumdet, verurteilt und abgesondert worden bin. Dadurch habe ich die Treue dessen kennengelernt, der der Freund der Freunde ist, und habe gelernt, mich mit dem Wissen begnügen zu lassen, dass Er, vor dem alle Herzen offen und dem alles Begehren bekannt ist, jetzt alles sieht und hernach allen die Aufrichtigkeit meiner Absichten erkennen lassen wird. …

George Whitefield

Es gab einen Tag, an dem ich starb, sprichwörtlich starb;
starb zu Georg Müller und seinen Meinungen , seinem Geschmack und seinem Willen;
starb zur Welt, mitsamt ihren Vorzügen und Einschränkungen;
starb den Anerkennungen und Schmähungen sogar meiner Glaubensbrüder und Freunde;
seitdem strebe ich danach, nur von Gott anerkannt zu sein.

Georg Müller