Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen,
und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen,
bis er das Recht zum Sieg hinausführt.

Matthäus 12,20

Wenn Zweifel uns befallen

Woher kommt dieses unruhige Stöhnen und Klagen? Überlasse deinen gegenwärtigen Zustand dem Amt Christi, das er solchen gegenüber hat, und verachte nicht den Trost des Allmächtigen, noch verweigere deine eigene Barmherzigkeit. Wirf dich in die Arme Christi, und wenn du zugrunde gehst, geh dort zugrunde. Wenn du dies nicht tun wirst, wirst du auf jeden Fall zugrunde gehen. Wenn Barmherzigkeit irgendwo zu finden ist, dann ist sie hier. (…)

In seinem Herzen ist kein langes Verborgenhalten vor uns. Wenn Gott uns in solch einen düsteren Zustand bringt, indem wir sein Licht oder das Licht des Geschöpfes nicht sehen, dann sollten wir uns erinnern, was er durch den Propheten Jesaja sagen ließ: „Wer unter euch… Wenn er im Finstern wandelt und ihm kein Licht scheint“ – kein Licht des Trostes, kein Licht von Gottes Antlitz – „so vertraue er auf den Namen des HERRN“ (Jesaja 50,10). Wir können niemals in einen solchen Zustand geraten, wo äußerste Verzweiflung gerechtfertigt wäre. Deshalb lasst es uns wie die Seeleute machen: Werfen wir den Anker im Dunkeln aus! Christus versteht es uns in diesem Fall sein Erbarmen zu erweisen. Beachte, welch einen Trost er von seinem Vater verspürte, als er geknickt wurde (s. Jesaja 53,5). Wenn wir geknickt sind, soll es dies sein, was wir von ihm her spüren sollen. (…)

Was Christus durch sein Vorbild tat, hat er auch uns aufgetragen zu tun. Er selber hat gelitten, um besser in der Lage zu sein, uns in unserem erforderlichen Leiden Erleichterung und Mitleid geben zu können. In seiner Verlassenheit im Garten und am Kreuz gab er sich damit zufrieden ohne diesen unaussprechlichen Trost zu sein, den die Gegenwart des Vaters gibt, um für uns sowohl eine gewisse Zeit den Zorn des Herrn zu tragen als auch besser zu verstehen, wie er uns in unserer äußersten Not trösten könne.

Es gefällt Gott, dass wir von diesem Kelch trinken, den sein Sohn ganz austrinken musste, damit wir ein wenig fühlen, was Sünde ist und wie groß die Liebe seines Sohnes war. Denn unser Trost ist, dass Christus von uns den Kelch bis auf den letzten Tropfen leerte und uns beistehen wird, damit unser Geist nicht völlig bei dem geringsten Anzeichen seines Missfallens, das wir verspüren mögen, zusammenbricht. Er wurde nicht nur ein Mensch, sondern ein Fluch und ein Mann der Schmerzen für uns. Er wurde zerschlagen, damit wir nicht aufs Äußerste leiden müssten. Er wurde zu einem Fluch, damit wir nicht verflucht werden sollten. Was man sich auch immer von einem allgenügsamen Tröster wünschen mag, ist in Christus zu finden!

Warum es so scheint, als würden die Feinde siegen

„Wenn Gott den Sieg davon tragen wird, warum scheint es dann  so bei der Gemeinde Gottes und bei manch einem Christen, indem die Gnade wirksam ist, als liege der Sieg beim Feind?“, könnte jemand einwenden. Um dies zu verstehen, sollten wir uns folgendes in Erinnerung rufen:

1. Gottes Kinder überwinden gewöhnlich in ihren Schwierigkeiten durch Leid. Hier überwinden Schafe durch Leid die Löwen und Tauben den Adler, sodass sie hierin mit Christus übereinstimmen, dessen Sieg am größten war, als er am stärksten litt. Christi Reich der Geduld war auch das Reich seiner Stärke.

2. Dieser Sieg erfolgt schrittweise. Deswegen sind die, die so schnell wie möglich nach dem ersten Schlag schon Sieger sein wollen, von zu hastigem Geist und werden am Ende ihres Rennens wieder am Start anlangen. Die Israeliten waren sich auf ihrer Reise nach Kanaan ihres Sieges sicher, dennoch mussten sie ihn ausfechten. Gott wollte uns nicht sogleich vergessen lassen, welch grausame Feinde Christus für uns überwand. „Töte sie nicht, damit mein Volk es nicht vergisst,“ sagt der Psalmist (Psalm 59,12), damit durch die Erfahrung einer solchen Plage, die wir durch sie haben, bei uns die Furcht davor bestehen bleibt, unter ihre Macht zu kommen.

3. Gott handelt oft durch Gegensätze: Bevor er uns den Sieg schenkt, wird er es zulassen, dass unsere Pläne zuvor durchkreuzt werden; wenn er uns trösten will, wird er uns zuvor in Schrecken versetzen; wenn er uns verherrlichen will, wird er uns zuvor verurteilen; den er verherrlichen will, wird er zuerst erniedrigen. Ein Christ siegt, selbst wenn er besiegt wird. Wenn er durch manche Sünde besiegt wird, siegt er über viel gefährlichere, wie geistlichen Stolz und sich in Sicherheit zu wiegen.

4. Das Werk Christi in der Kirche und auch in den Herzen der Christen verläuft oft rückwärts, damit es dann umso besser vorwärts geht. Wie die Saat zur Winterzeit im Boden verrottet, hernach aber besser hervorsprießt. Und je härter der Winter, umso blühender der Frühling. So lernen wir nach Stürzen wieder aufzustehen und erlangen Stärke durch aufgedeckte Schwäche (Schwachheit ist der Torheit Hüter).

Unsere Wurzeln werden tiefer, wenn wir gerüttelt und geschüttelt werden. Wie Fackeln durch Schwenken heller leuchten, so gefällt es Christus in seiner Freiheit, auf diese Art seine Herrschaft in uns aufrechtzuerhalten. 

Zitate aus dem Buch: „Geborgen in ihm“ von Richard Sibbes, S. 90 und S. 119, 3L Verlag